Digitalisierung: Aspekt Pflegealltag

von Viktoria Redl
Digitalisierung: Aspekt Pflegealltag von Viktoria Redl

Digitalisierung: Aspekt Pflegealltag

Unterstützt die Digitalisierung in den Gesundheitseinrichtungen den Pflegealltag und dadurch auch den Pflegeprozess und die Pflegequalität? Kann eine digitale Pflegedokumentation die Pflegefachpersonen in der Informationsweitergabe und Entscheidungsfindung unterstützen? Werden PatientInnen aufgrund einer digitalen Pflegedokumentation besser betreut und versorgt? Oder ist die digitale Pflegedokumentation nur ein aufwendiges Anhängsel für die Pflegenden und bietet kaum Unterstützung im Pflege- und Versorgungsprozess?

 

Dokumentation der Pflege ist eine wichtige Grundlage

„Wir sind doch Pflegekräfte geworden, weil wir mit Menschen arbeiten wollen und nicht mit technischen Geräten. Sonst wären wir jetzt Techniker.“ oder „Ich habe anderes zu tun, als mich an den Computer zu setzen (…) wichtig ist die Arbeit da draußen.“ (Evans et al. 2018).

Das war vor Jahren noch vielfach die Meinung zur zunehmenden Digitalisierung der Pflegedokumentation und zur Einführung unterschiedlicher digitaler Pflegedokumentationssysteme im Akut- und Langzeitpflegebereich.

Die Pflegedokumentation ist eine wichtige Grundlage für eine bedarfsgerechte, qualitätsorientierte und sichere Pflege, unabhängig davon, ob sie analog oder digital erstellt wird.
Obwohl der Digitalisierungsprozess vor allem im Gesundheitswesen zwar langsam aber stetig voranschreitet, stellt sich doch die Frage in wie weit der Einsatz von Software und mobilen Endgeräten die Arbeit der Beschäftigten in Pflegeberufen, sowie den Pflegeprozess beeinflussen (Becker, 2020).

 

Was versteht man unter Digitalisierung?

Ganz allgemein beschreibt die Digitalisierung den Wandel, der durch die Möglichkeit der elektronischen Speicherung, Vernetzung und Verarbeitung von Informationen ausgelöst wurde. In der Pflege versteht man darunter den zunehmenden Einsatz von modernen und vernetzten Informations- und Kommunikationstechnologien (Daum, 2017).

Mit der Einführung einer elektronischen Pflegedokumentation sind vielseitige Erwartungen verbunden: Das Einsparen von Zeit durch geführtes und zeitnahes Erfassen der Pflegehandlungen, eine Vereinfachung und Abnahme von bestimmten Tätigkeiten, die Unterstützung bei Entscheidungen, die Verbesserung der Versorgungsqualität, eine Reduktion der Kosten, die Unterstützung des Managements bzw. der Verwaltung sowie Userfreundlichkeit (Daum, 2017).

Im IT-Report Gesundheitswesen 2019 wurde die Frage nach dem Grad der Umsetzung der Pflegedokumentation von 60% der befragten Einrichtungen im Gesundheitswesen in Österreich mit “vollständig auf allen Stationen umgesetzt” beantwortet (Hübner et al. 2019). Was bedeutet, dass die digitale Pflegedokumentation in Österreich schon recht verbreitet ist. Dennoch sind die Zusammenhänge zwischen Digitalisierung und Veränderungen im Pflegealltag noch wenig erforscht bzw. beschrieben.

 

Positive Aspekte der digitalen Dokumentation

Als positiver Effekt wird vielfach die digitale Datenerfassung und der daraus resultierende schnelle Zugriff auf  gezielte Daten im Vergleich zur papiergestützten Dokumentation genannt. Ebenfalls können durch den Einsatz mobiler Endgeräte (Tablet, Smartphone) Daten noch am Behandlungsort eingetragen werden, womit einem Datenverlust entgegengewirkt wird (Daum, 2017). Durch die einheitliche und vor allem lesbare Dokumentation ist ein verlässlicher Dokumentationsfluss gewährleistet, der zu einer guten Abstimmung aller am Pflegeprozess beteiligten führen soll (INQA, 2018).

Durch eine elektronische Dokumentation steigt die Reliabilität, Validität und Überprüfbarkeit der erfassten Informationen (Daum, 2017). Die Verwendung standardisierter Fachbegriffe erhöht die Transparenz und Nachvollziehbarkeit und kann zur Vermeidung von Fehlern führen, da alle Beteiligten „dieselbe Sprache sprechen und erleichtert den interprofessionellen Austausch“ (INQA, 2018).
Ein weiterer positiv assoziierter Aspekt bezieht sich darauf, dass durch die digitale Erfassung der Pflegeprozess optimiert werden kann. Durch eine IT-gestützte Dokumentation, kann evidenzbasiertes Handeln und Entscheidungsfindung des Pflegepersonals gefördert werden. (Orians & Reisach, 2017).
Digital dokumentierte Daten ermöglichen eine gezielte und systematische Analyse der fünf großen Risiken: Sturz, Dekubitus, Schmerz, Fehlernährung und Inkontinenz bei Pflegebedürftigen und deren Prävention (Daum, 2017). Kennzahlen können durch die elektronische Erfassung klinischer Daten als „Abfallprodukt“ generiert und für weitere Zwecke genutzt werden. Im IT-Report Gesundheitswesen (2019) wurde beispielsweise die Auswertung der generierten Daten für die Verbesserung der PatientInnensicherheit an erster Stelle genannt.

 

Negative Aspekte der digitalen Dokumentation

Mit dem Einsatz von elektronischen Dokumentationssystemen sind aber auch Probleme und Schwierigkeiten verbunden.
Die Verwendung neu eingeführter elektronischer Pflegedokumentationssysteme wird vor allem in der Anfangsphase als Mehraufwand gesehen. Es muss eine neue Dokumentationssoftware eingeführt und in den Pflegealltag implementiert werden. Ferner müssen in der Anfangsphase die betroffenen Pflegekräfte mit der neuen Technologie vertraut gemacht und entsprechend geschult werden.
Eine geringe Nutzungsakzeptanz in Verbindung mit einer skeptischen Einstellung behindert die Entfaltung der Potentiale einer IT-gestützten Pflegedokumentation.
Durch den Einsatz einer IT-gestützten Pflegedokumentation besteht die Gefahr, dass Pflegekräfte sich zu stark an den starren, formalisierten Eingabevorgaben orientieren wie beispielsweise, dass Pflegestandards ohne Individualisierung und Anpassung an den zu Pflegenden, übernommen werden. Eigenständiges und situatives pflegerisches Handeln, welches kontextbedingt individuelle Pflegemaßnahmen nötig macht, wird dadurch möglicherweise eingeschränkt (Hielscher/Kirchen-Peters 2017; Hülsken-Geisler/Kings 2015). Durch vorgegebene Dokumentationsmöglichkeiten kann die Intuition und Berufserfahrung der einzelnen Pflegekräfte zu kurz kommen.

 

AnwenderInnen bei Systemauswahl mit einbeziehen

Im EU-Vergleich befindet sich Österreich auf Platz 8 beim Stand der Implementierung der elektronischen PatientInnenakte (ELGA) (Klauber et al. 2019). Parallel zu den Weiterentwicklungen der elektronischen Gesundheitsakte führten immer mehr Gesundheitseinrichtungen elektronische PatientInnen-/Pflegedokumentationen ein.

Um eine passende und unterstützende Pflegedokumentation zu implementieren, ist es essentiell die Pflege bereits in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen und bestmöglich auf das neue System zu schulen, damit die positiven Effekte auf den Pflegealltag überwiegen.

 

Literaturnachweise:

Becker, W. (2020): Prozess der Pflegedokumentation und Auswirkungen der Digitalisierung. In: V. Kubek et al. (Hrsg.): Digitalisierung in der Pflege. Berlin

Hübner, U., Liebe, J.-D., Hüsers, J., Thye, J., Egbert, N., Hackl, W., Ammenwerth E. (2019): IT-Report Gesundheitswesen. Schwerpunkt Pflege im Informationszeitalter. Osnabrück

Daum, M. (2017): Digitalisierung und Technisierung der Pflege in Deutschland. Aktuelle Trends und ihre Folgewirkungen auf Arbeitsorganisation, Beschäftigung und Qualifizierung. Hamburg: DAA-Stiftung Bildung und Beruf.

Evans, M., Hielscher, V., Voss, D. (2018): Damit Arbeit 4.0 in der Pflege ankommt. Wie Technik die Pflege stärken kann. Düsseldorf: Hans-Bäckler-Stiftung.

INQUA (Initiative Neue Qualität der Arbeit) (2018): Digitalisierung in der Pflege. Wie intelligente Technologien die Arbeit professionell Pflegender verändern. Berlin

Orians W., Reisach U. (2017) Wissenstransfer in der Kranken- und Altenpflege: Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung von Wissen. In: Pfannstiel M., Krammer S., Swoboda W. (eds) Digitale Transformation von Dienstleistungen im Gesundheitswesen III. Springer Gabler

 

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