Digitalisierung: Aspekt Medikationsprozess

von Viktoria Redl

Auswirkungen des digitalen Medikationsprozesses auf die PatientInnensicherheit

Im Medikationsprozess können in allen Schritten Medikationsfehler auftreten. Diese können beispielsweise die Verordnung, Doppelverschreibungen, Dosierungen wie auch Wechsel- und Nebenwirkungen betreffen.

 

Definition von Medikationsprozess und Medikationsfehler

Der Medikationsprozess beinhaltet alle Schritte zwischen der Anordnung eines Medikaments bis hin zur Verabreichung und anschließender Dokumentation. Ammenwerth (2011) beschreibt folgende Phasen innerhalb des Medikationsprozesses:

  • Informationssicherung und Entscheidung der Verordnung
  • Dokumentation der Verordnung
  • Zubereitung
  • Gabe der Medikation
  • Monitoring der Wirkung.

 

Zum Begriff Medikations- oder Medikamentenfehler zählen lt. Ulbricht (2011) alle Fehler, welche durch die Verordnung, Übertragung, Verteilung oder Verabreichung von Arzneimitteln entstehen. Der Großteil der Medikationsfehler kann auf die Verschreibung des Medikaments zurückgeführt werden. Dies kann eine falsche Dosierung, Fehler in der Applikationsart oder ein Übersehen der Nierenfunktion oder Allergien der betreffenden PatientInnen zur Ursache haben. Auch ein Bericht der NÖ Patienten und Pflegeanwaltschaft (PPA) zeigt auf, dass 25% der Fehler in einer Einrichtung auf Medikationsfehler zurückzuführen sind.

 

Fehlerquellen im stationären Behandlungsprozess

Viele Personen aus unterschiedlichen Berufsgruppen kooperieren in der stationären Versorgung. Jedes Krankenhaus ist ein komplexes System. Lt. Reason (2000) können Fehler auf den Faktor Mensch und den Faktor System zurückgeführt werden. Einerseits sind alle Personen im Krankenhaus potentielle Fehlerquellen. Andererseits können auch beim Faktor System, Fehler von einzelnen Menschen verursacht werden, jedoch impliziert das System-Modell auch Fehler der Organisation. So unterliegen latente Fehler den Entscheidungen des Managements einer Einrichtung.

Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) schreibt, dass seit 2012 die EU Pharmakovigilanz Gesetzgebung verlangt, dass alle auf Medikationsfehlern basierenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) im EU-Bereich an Eudra Vigilance, eine EU Datenbank für UAW, gemeldet werden müssen.

 

Aspekt PatientInnensicherheit

Laut WHO ist die Erhaltung bzw. Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung das Ziel eines Gesundheitssystems. Jeder Mensch hat jederzeit das Recht auf eine wirksame, unbedenkliche medizinische Versorgung (WHO, 2007).

Weltweit ist etwa ein Viertel der unerwünschten Ereignisse im Krankenhaus auf Vorfälle bei der Medikation zurückzuführen. Die „österreichische Plattform Patientensicherheit“ setzt daher eine Steuerungsgruppe „Medikationssicherheit“ ein und gründete eine Arbeitsgruppe zur Umsetzung von Verbesserungsstrategien zur Medikationssicherheit: „AMEDISS“ (Austrian Medication Safety Strategy). Dies soll Spitälern die Selbsteinschätzung der hausinternen Medikationspraxis und das Erkennen von Verbesserungspotenzial ermöglichen. Hierzu wurde das AMEDISS-Tool entwickelt, welches unter anderem einen Fragebogen “Medication Safety Self Assessment Questionnaire” des ISMP (Institute for Safe Medication Practice) und das MEDSAFE-Modell beinhaltet.

 

Digitale Unterstützung

Wie kann nun ein digital unterstützter Medikationsprozess die Medikationsfehler reduzieren?

Computerized Physician Order Entry (CPOE) bezeichnet die elektronische Arzneimittelverordnung und definiert die elektronische Erfassung und Verarbeitung von ärztlichen Anweisungen. CPOE-Systeme bieten meist auch entscheidungsunterstützende Funktionen, welche so zur Medikationssicherheit beitragen können. Das Clinical Decision Support System (CDSS) gibt Warnungen oder Eingabeaufforderungen für relevante Entscheidungsunterstützungen wie beispielsweise das Überprüfen auf eine Allergie, Vorschlag einer Standarddosierung und Prüfung auf Wechselwirkungen und Kontraindikationen.

Einige Studien konnten positive Auswirkungen durch eine elektronische Arzneimittelverordnung evaluieren. Unter anderem verbesserte sich die Lesbarkeit und Vollständigkeit von Verordnungen. Die Systeme bieten eine bessere Übersicht der Medikationshistorie und können Dosisberechnungen unterstützen. Ebenso tragen die zuvor erwähnten Warnmeldungen zur Verbesserung der Medikationssicherheit bei.

Jedoch ist anzumerken, dass eine Software nicht alle Medikationsfehler ausschließen kann. Durch die Implementierung und Nutzung solch eines Systems können auch andere Fehlerquellen entstehen. Ursachen hierfür können unzureichende Schulungen der AnwenderInnen oder eine ungenügende Anpassung des Systems und den hausinternen Prozessen sein. Zu viele bedeutungslose Warnmeldungen desensibilisieren User und Wichtiges könnte übersehen werden.

Ein offener Umgang im Bereich des Fehlermanagements sowie eine laufende Evaluierung der Software im Zusammenhang mit den hausinternen Abläufen haben eine hohe Relevanz. Nur so greifen die Zahnräder für die Sicherheit der PatientInnen ineinander.

 

 

Quellen:

Ammenwerth, E. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen vermeiden. Wien klin Mag 14, 40 (2011).  letzter Zugriff am 11. 07. 2022

Reason, J 2000, Education and debate. Human error: models and management, BMJ, no. 320, pp 768-770. letzter Zugriff am 11. 07. 2022

WHO-Kollaborationszentrum für Lösungskonzepte zur Patientensicherheit 2007a, Lösungskonzepte zur Patientensicherheit -Vorwort – Mai 2007. letzter Zugriff am 11. 07. 2022

Ulbricht, E, 2011, Arzthaftung in Österreich, eload24 AG, Pfäffikon. Valentin, A 2004, ‚Patientensicherheit – ein neu entdecktes intensivmedizinisches Paradigma?‘, Wiener klinische Wochenschrift, 116. Jahrgang, Heft 3, Springer Verlag, pp 63- 66. aus Master Thesis

BASG: Nebenwirkungen

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