Telemedizin und Künstliche Intelligenz in Österreichs Krankenanstalten

von Viktoria Redl

Telemedizin und Künstliche Intelligenz in Österreichs Krankenanstalten

Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung schreitet kontinuierlich voran – auch im stationären Bereich der österreichischen Krankenanstalten. Der Ergebnisbericht der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) zum Thema „Telemedizin und Künstliche Intelligenz im intramuralen Bereich Österreichs“ (2022). Wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erstellt und analysiert die aktuellen Entwicklungen sowie den Stand digitaler Anwendungen im Bereich der Telemedizin und der Künstlichen Intelligenz (KI).

 

Ziel und Methodik der Studie

Ziel der Studie war es, einen strukturierten Überblick über telemedizinische und KI-basierte Anwendungen in Österreichs Krankenanstalten zu geben. Dazu wurden im ersten Schritt relevante Projekte und Produkte per Internetrecherche identifiziert und systematisch in öffentlich zugänglichen Quellen sowie eHealth-Strategiedokumenten recherchiert. Anschließend erfolgte eine Validierung der Ergebnisse durch ExpertInnen aus allen Bundesländern, darunter VertreterInnen von Landesgesundheitsfonds, eHealth-KoordinatorInnen und Krankenhausverbünden.

Der Fokus lag dabei ausschließlich auf Anwendungen, die unmittelbar in den medizinischen Versorgungsprozess eingebunden sind. Administrative Systeme, wie z. B. Materialwirtschaft oder Bettenmanagement, sowie standardisierte ELGA-Dienste wurden nicht berücksichtigt.

 

Kategorisierung von Telemedizin und KI

Telemedizin

Für die funktionale Klassifikation von Telemedizin wurden zwei zentrale Dimensionen herangezogen:

  1. Beziehungsebene:
    • PatientIn ↔ GesundheitsdiensteanbieterIn (GDA)
    • GDA ↔ GDA
  2. Anwendungsart:
    • Speichern und Weiterleiten (asynchron)
    • Interaktive Dienste (synchron)
    • Fernüberwachung / Telemonitoring

 

Künstliche Intelligenz

Im Bereich KI orientierte sich die Kategorisierung an der konkreten Funktion im Versorgungsgeschehen:

  • Diagnostik und Analyse (z. B. Triage-Chatbots)
  • Therapieverbesserung
  • (Risiko-)Vorhersage

 

Ergebnisse im Überblick

Insgesamt wurden 116 digitale Gesundheitsanwendungen/Projekte im stationären Bereich identifiziert:

  • 71 Projekte im Bereich Telemedizin
  • 43 Projekte im Bereich KI
  • 2 Projekte, die beide Bereiche verbinden

Davon befinden sich 54 Anwendungen bereits im Regelbetrieb. Die Verteilung zeigt eine flächendeckende Nutzung in allen Bundesländern. Fachlich dominieren fächerübergreifende Lösungen sowie spezifische Schwerpunkte in Kardiologie, Radiologie, Orthopädie und Gastroenterologie.

Abbildung 1: Anzahl Telemedizin Projekte nach Anwendungsart, Quelle: GÖG

 

Abbildung 2: Anzahl Künstliche Intelligenz Projekte nach Anwendungsart, Quelle: GÖG

 

Abbildung 3: Anzahl Anwendungen nach Bereich pro Bundesland, Quelle GÖG

 

Abbildung 4: Anzahl Anwendungen nach Umsetzungsstatus und Bundesland, Quelle: GÖG

 

Überblick der einzelnen Anwendungen

Im weiteren Folgen Zusammenfassungen von den einzelnen Anwendungen im Bereich der Telemedizin und Künstlichen Intelligenz.

 

Anwendungen der Telemedizin – Speichern und Weiterleiten (Patient:in ↔ GDA)
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
Patientenportal der KAGes Online-Zugang zu Befunden, Arztbriefen, Bildern etc. über ein zentrales Portal. Inkl. eRöntgenpass. Steiermark
Demenz & Peripartale Psychiatrie Digitale Unterstützung von Behandlungsprozessen bei Demenz und peripartalen Psychosen. Tirol
Webportal AKH Wien Abruf von Befunden, Terminen, Bildern durch PatientInnen oder autorisierte Angehörige. Wien

 

Anwendungen der Telemedizin – Interaktive Dienste (Patient:in ↔ GDA)
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
HealthNet Wunddokumentation durch Pflege, sichere Bildübermittlung an behandelnde ÄrztInnen. Kärnten
Teledermatologie OÖ Telekonsile für dermatologische Fälle zwischen Linz und Kirchdorf. Oberösterreich
ClickDoc Sichere Videokonsultation in Ambulanzen per geschützter Plattform. Oberösterreich
Online Healthcare Center Internationale Online-Konsultation in verschiedenen Fachrichtungen. Wien
Teletherapeutische Nachbetreuung Seniorentablets und begleitete Übungen nach geriatrischer Behandlung. Steiermark

 

Anwendungen der Telemedizin – Fernüberwachung / Telemonitoring (Patient:in ↔ GDA)
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
HerzMobil Tirol / Steiermark Nachsorgeprogramm für Herzinsuffizienz mit App-basiertem Monitoring. Tirol / Steiermark
Biotronik Home-Monitoring Fernkontrolle von Herzschrittmachern in mehreren Bundesländern. Bundesweit
eSMART Symptom-Monitoring bei onkologischen Erkrankungen mit algorithmischer Auswertung. Wien
TELE-Covid Tirol 24/7-Vitaldatenüberwachung mittels Ohrsensor für COVID-PatientInnen. Tirol
RehaBuddy Sensorisches Gang- und Bewegungstraining mit digitaler Auswertung. Wien

 

Anwendungen der Telemedizin – Speichern und Weiterleiten (GDA ↔ GDA)
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
Teleradiologie Radiologische Ferndiagnostik außerhalb der Regelarbeitszeiten. Niederösterreich, Salzburg
Telepathologie Elektronische Übertragung von Schnellschnitten zur Ferndiagnostik. Oberösterreich, Salzburg, Tirol
Digitale Pathologie Digitalisierung und Fernbefundung von Gewebeschnitten. OÖ, Steiermark
Retina-Screening Zentrale Bildauswertung der Augenabteilungen über elektronisches System. Oberösterreich

 

Anwendungen der Telemedizin – Interaktive Dienste (GDA ↔ GDA)
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
Tumorboard OÖ Videokonferenzen für interdisziplinäre Fallbesprechungen zwischen Kliniken. Oberösterreich
Tele-Kard-Konsil Telefonisches Konsil bei kardiologischen Fragestellungen im niedergelassenen Bereich. Niederösterreich

 

Anwendungen von Künstlicher Intelligenz – (Risiko-)Vorhersage
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
Telemed5000 Dezentrale Machine-Learning-Modelle zur Filterung und Priorisierung von Vitaldaten. Tirol, Hasso-Plattner-Institut
Rehospitalisierungsprognose Vorhersage hoher Wiedereinweisungswahrscheinlichkeiten zur gezielten Nachsorgeplanung. Projektstatus: Pilot
Thalea II EU-Projekt zur Intensivdatenaggregation und Frühwarnung über mehrere ICUs hinweg. Wien

 

Anwendungen von Künstlicher Intelligenz – Therapieverbesserung
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
Dosierungsempfehlung Chemotherapie KI-gestützte Anpassung der Medikamentengabe basierend auf PatientInnendaten. Onkologische Einrichtungen
CDSS-Systeme Unterstützung bei klinischen Entscheidungen durch strukturierte Datenanalyse. Diverse Krankenhäuser
SmartCOPDTrainer Gamifizierter Assistent zur Unterstützung von PatientInnen mit COPD. WIGEV

 

Anwendungen von Künstlicher Intelligenz – Diagnostik & Analyse
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
Radiologische KI-Systeme Automatisierte Bildanalyse in der Radiologie zur Erkennung pathologischer Muster. Österreichweit
Triage-Chatbots KI-gestützte Ersteinschätzung von Symptomen und Anfragen. Pilotprojekte
Digitale Pathologie mit KI-Integration Bilderkennung und automatisierte Musteranalyse von Gewebeproben. Oberösterreich, Steiermark

 

Anwendungen, die Telemedizin und KI verbinden
Projektname Projektbeschreibung Region / Einrichtung
eSMART Symptom-Monitoring bei KrebspatientInnen mit KI-gestützter Auswertung und Alarmierung. MedUni Wien
Telemed5000 Maschinelles Lernen zur Datenauswahl und Entlastung des Telemedizinzentrums. Tirol, Hasso-Plattner-Institut

 

Herausforderungen und regulatorischer Rahmen

Mit dem AI Act der EU wird der Einsatz von KI-Systemen im Gesundheitsbereich einer neuen Regulierung unterzogen – insbesondere bei sogenannten Hochrisiko-KI-Systemen. Zusätzlich gelten bereits heute die Medizinprodukteverordnung (MDR) und die DSGVO.

Ein systematisches Monitoring ist essenziell, um die Qualität und Evidenzbasis digitaler Lösungen langfristig zu sichern. Der Bericht weist jedoch auf methodische Schwächen vieler Studien zur Wirksamkeit von KI im Gesundheitswesen hin. Viele Anwendungen sind in Laborumgebungen validiert, nicht aber in realen Versorgungsszenarien. Hinzu kommt, das Phänomen „Moving Target“: Das Interesse an bereits erfassten Anwendungen nimmt aufgrund kontinuierlich neuer Anwendungen ab.

 

Schlussfolgerungen und Implikationen für die Pflegeinformatik

Die Ergebnisse zeigen: Der Einsatz digitaler Technologien ist in Österreichs Spitälern angekommen – mit einer wachsenden Zahl funktionaler Anwendungen, Pilotprojekte und Routineprozesse. Gleichzeitig bleiben Herausforderungen in den Bereichen:

  • Interoperabilität und Standardisierung
  • Evidenzgenerierung und Qualitätssicherung
  • Ressourcen und Change Management
  • Nutzerakzeptanz, Schulung und ethische Fragen

 

Für PflegeinformatikerInnen bedeutet dies, sich aktiv in Gestaltungsprozesse einzubringen – sei es in der Spezifikation von Anforderungen, der Schulung von Fachpersonal oder der Evaluation von Tools. Pflege spielt dabei nicht nur als User, sondern auch als Datenlieferant und Mitgestalter von Versorgungspfaden eine zentrale Rolle.

 

Literatur:
Degelsegger‐Márquez, Alexander; Dick, Daniel; Trunner, Kathrin (2022): Telemedizin und Künstliche Intelligenz im intramuralen Bereich Österreichs. Ergebnisbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Gesundheit Österreich GmbH, Wien.

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