Qualitätsmanagement durch strukturierte Dokumentation – Chancen und Herausforderungen für die Pflege

von Viktoria Redl

Qualitätsmanagement durch strukturierte Dokumentation – Chancen und Herausforderungen für die Pflege

Die Qualität pflegerischer Versorgung steht im Zentrum moderner Gesundheitssysteme. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und den wachsenden Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit rückt die strukturierte Dokumentation als zentrales Element des Qualitätsmanagements in den Fokus. Für Pflegedirektor:innen, Pflegeinformatiker:innen und Verantwortliche für Pflegequalitätsentwicklung ergeben sich daraus neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen.

 

Strukturierte Dokumentation als Fundament des Qualitätsmanagements

Strukturierte Dokumentation bedeutet, pflegerische Informationen in vorgegebenen, standardisierten Formaten zu erfassen. Dies geschieht durch digitale Eingabemasken, Checklisten und vordefinierte Auswahlfelder. Im Unterschied zur freien Textdokumentation ermöglicht diese Vorgehensweise eine systematische, vergleichbare und auswertbare Erfassung von Daten.

 

Rahmenbedingungen und Standards

Strukturierte Dokumentation entfaltet ihr volles Potenzial nur, wenn sie sich an verbindlichen Standards orientiert. Auf internationaler Ebene bieten Normen wie ISO 9001 und speziell für das Gesundheitswesen EN 15224 ein anerkanntes Fundament für Qualitätsmanagementsysteme. Sie betonen die Bedeutung standardisierter Prozesse und die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen – Aspekte, die durch strukturierte Dokumentation optimal unterstützt werden.

Auch die Expertenstandards des DNQP oder die Nutzung internationaler Klassifikationen wie SNOMED CT, LOINC oder ICNP tragen entscheidend dazu bei, pflegerische Informationen interoperabel und vergleichbar zu machen. Für die Praxis bedeutet dies: Je besser Dokumentationssysteme auf etablierte Standards abgestimmt sind, desto einfacher lassen sich Daten für Auswertungen, Benchmarking und Qualitätsberichte nutzen.

 

Rechtliche und regulatorische Anforderungen

Neben fachlichen Standards prägen auch gesetzliche Rahmenbedingungen die Umsetzung strukturierter Dokumentation. In Österreich spielen hier insbesondere das Gesundheitsdokumentationsgesetz sowie die Anbindung an ELGA eine zentrale Rolle. Sie stellen sicher, dass pflegerische Informationen vollständig, nachvollziehbar und sektorenübergreifend verfügbar sind.

Darüber hinaus rückt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den sorgfältigen Umgang mit personenbezogenen Daten in den Vordergrund. Für Pflegedirektor:innen und Qualitätsverantwortliche bedeutet dies, dass Systeme nicht nur benutzerfreundlich, sondern auch rechtlich einwandfrei konzipiert sein müssen. Mit Blick in die Zukunft ist zudem der EU AI Act relevant: Sobald KI-basierte Analysen in die Qualitätssteuerung einfließen, gelten zusätzliche Anforderungen an Transparenz, Risikobewertung und Nachvollziehbarkeit.

 

Effizienzsteigerung und Qualitätssicherung durch Standardisierung

Ein wesentlicher Vorteil strukturierter Dokumentation liegt in der Effizienzsteigerung. Wiederkehrende Aufgaben – beispielsweise die Erfassung von Vitalparametern, Assessment-Ergebnissen oder prophylaktischen Maßnahmen – lassen sich zeitsparend und fehlerarm dokumentieren. Die Integration von Checklisten stellt sicher, dass keine relevanten Aspekte übersehen werden und unterstützt das Pflegepersonal in der täglichen Arbeit.

Darüber hinaus eröffnet strukturierte Dokumentation neue Möglichkeiten der Qualitätssicherung. Automatisierte Auswertungen erlauben eine regelmäßige und objektive Überprüfung von Qualitätsindikatoren wie Sturzraten, Dekubitushäufigkeit oder der Einhaltung von Expertenstandards. So lassen sich Schwachstellen frühzeitig erkennen, Prozesse gezielt verbessern und Benchmarking zwischen Einrichtungen etablieren. Besonders im Bereich der Patient:innensicherheit zeigt sich der Nutzen: Dokumentierte Risikofaktoren können automatisiert analysiert und mit Warnsystemen verknüpft werden, etwa bei der Sturzprävention oder im Medikationsmanagement. Damit wird Dokumentation nicht nur Nachweis, sondern aktives Steuerungsinstrument.

 

Mehr Transparenz und bessere Kommunikation

Strukturierte Dokumentation sorgt für eine erhöhte Transparenz. Pflegehandlungen und -entscheidungen werden nachvollziehbar dokumentiert, was die interne Kommunikation zwischen verschiedenen Berufsgruppen erleichtert. Auch die Zusammenarbeit mit externen Gesundheitsdiensteanbietern profitiert von klaren, standardisierten Informationen. Damit fördert die strukturierte Dokumentation die interdisziplinäre Zusammenarbeit und trägt direkt zur Patient:innensicherheit bei.

 

Praxisbeispiele aus der Pflege

  • Assessment-Instrumente: Standardisierte Skalen wie die Braden-Skala oder der Barthel-Index werden digital erfasst und automatisch ausgewertet, um Risikopatient:innen frühzeitig zu identifizieren.
  • Pflegeprozessdokumentation: Durch strukturierte Eingabemasken für Planung, Durchführung und Evaluation wird der gesamte Pflegeprozess transparent und nachvollziehbar abgebildet.
  • Qualitätsberichte und Audits: Die automatisierte Auswertung strukturierter Daten ermöglicht die Erstellung von Berichten für interne Audits oder externe Prüfungen.

 

Herausforderungen: Benutzerfreundlichkeit, Flexibilität und Change Management

Trotz aller Vorteile bringt die strukturierte Dokumentation auch Herausforderungen mit sich. Systeme müssen einerseits standardisiert sein, um Vergleichbarkeit zu ermöglichen, andererseits aber genügend Flexibilität bieten, um den individuellen Anforderungen der Pflege gerecht zu werden. Zu starre Vorgaben können die Praxis einschränken und zu Frustration führen.

Darüber hinaus ist die Benutzerfreundlichkeit entscheidend: Nur intuitive und gut integrierte Systeme können im Alltag entlastend wirken. Ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor ist das Change Management. Pflegekräfte müssen den Sinn und Nutzen der Dokumentation nachvollziehen können, um Akzeptanz zu entwickeln. Dies gelingt, wenn sie frühzeitig in die Systemgestaltung einbezogen werden und Schulungen, Supervision sowie eine klare Kommunikation durch die Führungsebene den Veränderungsprozess begleiten.

 

Zukunftsperspektiven: Von der Dokumentation zum Wissenssystem

Mit der weiteren Digitalisierung eröffnen sich neue Perspektiven. Künstliche Intelligenz und prädiktive Analysen könnten künftig Risiken wie Dekubitus, Rehospitalisierungen oder Delir frühzeitig erkennen. In Kombination mit Clinical Decision Support Systemen (CDSS) entstehen Handlungsempfehlungen, die Pflegekräfte in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen.

Besonders spannend ist die interdisziplinäre Nutzung: Daten, die in der Pflege erhoben werden, sind ebenso für Ärzt:innen, Therapeut:innen und das Qualitätsmanagement wertvoll. Damit entwickelt sich die Pflege von einer dokumentierenden zu einer steuernden Instanz, die aktiv zur Qualität und Sicherheit im gesamten Behandlungspfad beiträgt.

 

Fazit

Strukturierte Dokumentation ist das Rückgrat eines modernen Qualitätsmanagements in der Pflege. Sie ermöglicht Effizienz, Transparenz und eine kontinuierliche Verbesserung der Pflegequalität. Die Herausforderung liegt darin, Systeme zu schaffen, die sowohl standardisiert als auch flexibel genug sind, um den komplexen Anforderungen der Praxis gerecht zu werden. Pflegeinformatiker:innen, Pflegedirektor:innen und Verantwortliche für Pflegeentwicklung sind gefordert, diesen Wandel aktiv zu gestalten – für eine Pflege, die digital, transparent und zukunftsfähig ist.

 

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