Digitale Zwillinge & Patient Journey: Virtuelle Abbilder für eine bessere Versorgung

von Viktoria Redl

Digitale Zwillinge & Patient Journey: Virtuelle Abbilder für eine bessere Versorgung

Die Gesundheitsversorgung steht an einem Wendepunkt: Neben klassischen Dokumentationssystemen und telemedizinischen Lösungen rücken neue Technologien wie digitale Zwillinge ins Zentrum der Diskussion. Was in der Industrie längst etabliert ist – die Simulation von Maschinen oder Prozessen in einem digitalen Abbild – hält nun Einzug ins Gesundheitswesen. Mit einem digitalen Zwilling lassen sich Patient:innen, Krankheitsverläufe oder ganze Versorgungsprozesse virtuell modellieren und analysieren.

 

Was ist ein digitaler Zwilling im Gesundheitswesen?

Ein digitaler Zwilling im Gesundheitswesen ist ein virtuelles, datenbasiertes Abbild von Patient:innen, das kontinuierlich mit realen Gesundheitsdaten (z.B. aus medizinischer Bildgebung, Laborwerten, Wearables und der elektronischen Patientenakte) aktualisiert wird. Diese „digitale Repräsentation“ entwickelt sich dynamisch mit – je aktueller die Daten, desto genauer das Abbild. Dadurch ist ein Zwilling nicht nur statisch, sondern ein lernendes System, das kontinuierlich neue Informationen integriert.

Ziel ist, Krankheitsverläufe individuell und vorausschauend zu simulieren oder Therapien vorab virtuell zu testen. Es können nicht nur aktuelle Zustände abgebildet, sondern auch zukünftige Entwicklungen simuliert werden, um eine personalisierte, präzisere Behandlung zu ermöglichen. Grundlage hierfür ist die Verknüpfung verschiedenster Patientendaten mit Erkenntnissen aus populationsbasierten Studien, um Muster frühzeitig zu erkennen.

 

Anwendungsfelder entlang der Patient Journey

Ein zentrales Anwendungsfeld digitaler Zwillinge liegt in der Optimierung der sogenannten Patient Journey. Diese beschreibt den gesamten Weg von Patient:innen im Gesundheitssystem. Dieser Prozess beginnt mit der Wahrnehmung erster Symptome oder eines Gesundheitsproblems, umfasst die Diagnosestellung, Therapieplanung, -durchführung und mögliche Nachsorge/ Rehabilitation. Es handelt sich um eine dynamische Abfolge von Interaktionen zwischen Patient:in, Fachpersonal, Services und digitalen Systemen – von der Erstinformation über Arztkontakte und Diagnosen bis hin zur Nachbehandlung oder dem Management chronischer Krankheiten. Die Patient Journey wird oft grafisch als Abfolge („Touchpoints“) dargestellt, um Versorgungslücken, Patientenerfahrungen oder Optimierungsmöglichkeiten besser erkennbar zu machen und die Qualität sowie Effizienz der Versorgung zu steigern. Moderne Ansätze stellen dabei die Bedürfnisse und das Erleben der Patient:innen konsequent in den Mittelpunkt, analog zur „Customer Journey“ im Marketing

Digitale Zwillinge können hier helfen, Versorgungspfade zu modellieren, Engpässe sichtbar zu machen und Szenarien zu simulieren, um die Patientenerfahrung in die Qualität der Pflege zu verbessern.

 

Folgende Einsatzmöglichkeiten eröffnen sich durch digitale Zwillinge:
  • Prognosen und Simulationen: Krankheitsverläufe können vorausgesagt und mögliche Komplikationen frühzeitig erkannt werden.
  • Therapieplanung: Behandlungsoptionen lassen sich am digitalen Abbild testen, bevor Entscheidungen getroffen werden.
  • Versorgungsoptimierung: Versorgungspfade können simuliert und neugestaltet werden, um Wartezeiten zu reduzieren oder Schnittstellen zwischen Berufsgruppen effizienter zu gestalten.
  • Risikomanagement: Klinische Szenarien lassen sich durchspielen, um Fehlerquellen zu identifizieren.

 

Bezug zur Pflegeinformatik

Für die Pflegeinformatik bieten digitale Zwillinge besonders spannende Perspektiven:

  • Individuelle Pflegepläne: Pflegemaßnahmen lassen sich patientenbezogen simulieren, bevor sie umgesetzt werden.
  • Szenarien durchspielen: Pflegekräfte könnten erproben, wie sich unterschiedliche Interventionen (z. B. Mobilisation, Schmerzmanagement) auf den Krankheitsverlauf auswirken.
  • Outcome-Simulation: Potenzielle Ergebnisse von Pflegeinterventionen lassen sich besser abschätzen und dokumentieren.

Damit wird Pflege nicht nur dokumentiert, sondern aktiv modelliert und gestaltet – ein Schritt hin zu einer präziseren und evidenzbasierten Pflegepraxis.

 

Nutzen für Patient:innen und Einrichtungen

Der Mehrwert digitaler Zwillinge liegt auf mehreren Ebenen:

  • Qualitätssteigerung: Genauere Diagnosen und passgenaue Therapien.
  • Personalisierte Versorgung: Jede Patientin erhält ein auf sie zugeschnittenes Behandlungskonzept.
  • Fehlerreduktion: Durch das Testen im digitalen Modell können Risiken minimiert werden.
  • Effizienz: Ressourcen wie Personal, Zeit und Kosten lassen sich gezielter einsetzen.

 

Status quo: Forschungsvision oder Praxisalltag?

Noch befindet sich der Einsatz digitaler Zwillinge im Gesundheitswesen überwiegend im Forschungs- und Pilotstadium. Erste Projekte laufen etwa in der Kardiologie (digitale Zwillinge des Herzens), in der Onkologie (Tumorverläufe) oder bei Operationssimulationen.

Für die breite klinische Anwendung fehlen aktuell noch standardisierte Schnittstellen, Datenschutzkonzepte und vor allem die Integration in bestehende IT-Systeme. Dennoch gilt: Die Entwicklung schreitet rasant voran, und digitale Zwillinge könnten schon in den kommenden Jahren einen festen Platz in der Versorgung einnehmen.

 

Praxisbeispiel: EU-Projekt DTRIP4H – Decentralised Digital Twin Ecosystem for Health Infrastructures

Ein spannendes Beispiel für die Anwendung digitaler Zwillinge im Gesundheitswesen ist das europäische Forschungsprojekt DTRIP4H (2025–2028). Ziel des Projekts ist der Aufbau eines dezentralen Digital-Twin-Ökosystems zur Förderung von vorausschauender, präventiver, personalisierter und partizipativer Gesundheit (4P-Health). Der Fokus liegt dabei insbesondere auf chronischen Erkrankungen und Krebs.

Kerntechnologien

  • Digitale Zwillinge: Virtuelle Abbilder von Patient:innen oder Prozessen, gespeist aus realen und synthetischen Daten.
  • Föderiertes Lernen: Daten bleiben dezentral gespeichert, können aber KI-gestützt analysiert werden.
  • Generative KI & AR/VR: Für Simulationen, Visualisierungen und Schulungen.
  • Datenschutz & Standards: Starke Orientierung an DSGVO, FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) und gerechtem Zugang.

Forschungsinfrastruktur & Ökosystem

DTRIP4H integriert bestehende europäische Forschungsinfrastrukturen in eine dezentrale Digital-Twin-Umgebung (DDTE). Dadurch soll die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Industrie (insbesondere KMU) und Politik erleichtert werden.
Besonderes Augenmerk liegt auf:

  • Datenharmonisierung
  • Verbesserung der Interoperabilität
  • Förderung innovativer Forschung und Entwicklung

Vorgehen

Das Projekt verfolgt einen klar strukturierten Fahrplan:

  1. Analyse bestehender Initiativen und Good Practices.
  2. Bedarfserhebung bei Kliniken, Forschenden, Industrie und Politik.
  3. Co-Design & Implementierung der Digital-Twin-Umgebung.

Use Cases

Als „Proof of Concept“ werden sieben Anwendungsfälle umgesetzt, u. a.:

  • Präzisionsonkologie (personalisierte Krebsbehandlung)
  • Virtuelle Medikamentenentwicklung
  • Simulation des Human Exposome (Einfluss von Umweltfaktoren)
  • Prädiktive Modelle zur Schizophreniebehandlung
  • AR/VR-gestützte Aus- und Weiterbildung
  • KI-gestützte personalisierte Medizin

Impact

Das Projekt gilt als eines der ambitioniertesten Vorhaben im europäischen Gesundheitswesen.
Es verfolgt einen human-zentrierten Ansatz und leistet einen Beitrag zu:

  • den Zielen des Europäischen Forschungsraums (ERA)
  • den Sustainable Development Goals (SDGs) bis 2030
  • dem Abbau von Datenfragmentierung, höherer Datenqualität und mehr Innovationsgeschwindigkeit

Symbolbild “Digitale Zwillinge und Patient Journey”; Bild von ChatGPT generiert

 

 

 

*dieser Artikel wurde mit KI-Unterstützung erstellt

 

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